digitale Tools und Themen für Journalisten

„Facebook ist für Rechercheure nervig“ (Interview mit Demian von Osten)

Innerhalb von fünf Minuten kann Demian von Osten (@demianvonosten)  ein persönliches Profil einer Person erstellen – auf Basis von Informationen, die er im Netz findet. Der NRW-Reporter von ARD Aktuell (Tagesschau, Tagesthemen …) erklärt im Interview, wie er im Netz recherchiert und erläutert praktische Tipps. Bei der ARD.ZDF-Medienakamadie gibt er im Januar (Hannover) und Mai (Köln) das Seminar „Quellencheck: Recherche und Verifikation von Internetmaterial“ (980 Euro, nicht nur für ARD- und ZDF-Mitarbeiter offen)

Demian von Osten (Foto: WDR/Annika Fußwinkel)

Demian von Osten (Foto: WDR/Annika Fußwinkel)

Was ist der wichtigste Grundsatz, wenn man im Netz recherchiert?

Wie bei einem Termin vor Ort sollte man skeptisch sein: Ist die Person glaubwürdig, die mir eine Information gibt? Warum gibt sie mir diese Information? Wer kann diese Information bestätigen? Ich mache die Beobachtung, dass viele Journalisten im Netz diesen Grundsatz nicht beherzigen, sondern vorschnell einer Netz-Quelle glauben.

Was kann ich tun, um eine Information im Netz zu bestätigen?

Ich gehe in vier Stufen vor und suche nach Unstimmigkeiten, die meine Skepsis nähren.

  1. Der Account: Was ist das für ein Account, über den die Information verbreitet wurde? Wie alt ist der Account? Was wurde vorher über den Account gepostet? Welche Freunde / Follower hat der Account?
  2. Zweite Quelle: Gibt es für diese Information eine zweite Quelle im Netz? Passen diese Informationen zueinander? Wenn man ein Foto oder ein Video aus zwei Perspektiven sieht, suche ich nach Fehlern. Je stimmiger das Bild der Lage ist, desto unwahrscheinlicher ist es, Fälschern auf den Leim zu gehen. Denn ihr Aufwand erhöht sich mit wachsender Menge an Material, das sie manipulieren müssten.
  3. Experten: Finde ich für die Aussagen einen Experten, der die Aussage bzw. Einschätzung bestätigen kann?
  4. Technische Verifizierung: Mit entsprechenden Tools kann man prüfen, ob ein Foto oder ein Video manipuliert sind. Stimmen die GPS-Daten des Bildes mit denen der angeblichen Location überein? Ist das ganze Material mit einer Kamera erstellt worden? Kann man im Bild Manipulationen entdecken?

Wie nehmen Sie dann Kontakt zu einem Social-Media-User auf?

Telefonisch! Im Ernst, nach meiner Erfahrung ist das viel effektiver als eine Nachricht zu schicken, die dann nicht gelesen bzw. nicht beantwortet wird. Deshalb versuche ich über den Benutzernamen (bei Facebook und  Twitter sind das ein Teil der URL der Profil-Seite:  www.facebook.com/sbrinkmann oder twitter.com/sbrinkmann) auf andere Profile oder die Website des Users zu stoßen und dort die Telefonnummer zu entdecken. Nach meiner Erfahrung benutzen viele User in verschiedenen Netzwerken den selben Benutzernamen. Und natürlich sollte man der erste Anrufer sein, der sich meldet.

Welche Tools benutzen Sie?

Facebook ist für Rechercheure aus meiner Sicht manchmal nervig, nachdem die Graph-Search wieder eingeschränkt wurde. Trotzdem ist es sehr wichtig. Bei Twitter nutze ich gerne die erweiterte Suche, um zum Beispiel Tweets aus einem bestimmten Zeitraum bzw. einem Ort zu finden. Hierbei helfen zahlreiche Operatoren, die in der Twitter-Hilfe erklärt werden. Eine Übersicht über die Tools, die ich empfehle, pflege ich auf meiner Internet-Seite.

Jeder Journalist sollte die Grundlagen der Netz-Recherche beherrschen. Am besten schaut man sich das mal in einer ruhigen Minute an, damit man die Tools dann in der Breaking-News-Situation beherrscht. In jeder Redaktion sollte es Experten geben, die sich zum Beispiel mit der technischen Verifikation auskennen und die entsprechenden Tools beherrschen.

Wie halten Sie sich selbst als Rechercheur auf dem Laufenden?

Ich besuche Konferenzen und folge Experten auf Twitter. Die BBC hat zum Beispiel einige sehr gute Twitter-Accounts: @researchclinic oder @BBCCollege.

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3 Responses to “„Facebook ist für Rechercheure nervig“ (Interview mit Demian von Osten)”

  1. Reinhold Bonfig

    Danke für die „Pressekonditionen“. Hoffe, es geht Ihnen gut. Gerne abonniere ich Ihren Newsletter. Herzliche Grüße!

    Antworten

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