digitale Tools und Themen für Journalisten

Meerkat und Periscope: Die sechs wichtigsten Fragen und Antworten

Meerkat (=Erdmännchen)

Meerkat (=Erdmännchen)

In den vergangenen zwei Wochen hatte ich zeitweise den Eindruck, dass es auf Twitter nur ein Thema gab: Meerkat, eine neue App mit der man Videos live ins Netz streamen kann. Auf dem bisherigen Höhepunkt des Hypes hat Twitter vergangene Woche seine eigene Video-Streaming-Lösung Periscope (zunächst nur iOS, mittlerweile auch Android) gestartet und das Interesse weiter befeuert. In diesem Beitrag stelle ich beide Apps vor und zeige Vor- und Nachteile. Eine Übersicht nützlicher Ergänzungen für Video-Live-Streams runden den Beitrag ab.

Warum überhaupt live streamen?

Die Frage ist durchaus berechtigt und man merkt den vielen Live-Streams an, das mit Meerkat und Periscope eine neue Technik auf dem Markt ist und viele noch nicht genau wissen, wozu sie gut sein soll: Ich konnte Leuten bei einer langweiligen Autofahrt zusehen oder erleben, wie jemand vor seinem Rechner sitzt und arbeitet. Naja.

Für Journalisten sind Meerkat und Periscope aber eine tolle Sache: Plötzlich kann man spontan und ohne Vorbereitung live von einer Pressekonferenz oder einer Veranstaltung senden oder Usern die Möglichkeit geben, bei einem Interview live dabei zu sein.

Wie funktionieren die Apps?

Die Periscope-App in Aktion (Foto: Periscope.com)

Die Periscope-App in Aktion (Foto: Periscope.com)

Grundvoraussetzung ist in beiden Fällen ein Twitter-Account, der beim ersten Start der App angegeben werden muss. Ein Knopfdruck startet dann den Live-Stream und der Link zum Video wird – zusammen mit einem kurzen Text – automatisch auf Twitter veröffentlicht. Da werden die Kollegen mit ihren großen Übertragungswagen neidisch. Beide Dienste erlauben es zudem, dass die Zuschauer live die Sendung kommentieren und so zum Beispiel Hinweise und Anregungen an den Produzenten schicken, die dieser auch gleich beantworten kann. Während man bei Meerkat eine Sendung vorab ankündigen kann, erlaubt Periscope bis zu 24 Stunden nach der Sendung das Abrufen des Videos.

Richard GutjahrSpiegel-online und thenextweb.com haben beide Apps miteinander verglichen und Periscope zum Sieger gekürt. So schreibt Gutjahr: „Und doch wirkt Periscope durchdachter und schicker als Meerkat. Die 24-h-Replay-Philosophie erscheint mir praktikabler, als das Ankündigen bevorstehender Live-Streams, die unmittelbar nach der Übertragung im Nirvana verschwinden. Auch die vollständige Twitter-Integration von Periscope, dürfte der Meerkatze Probleme bereiten. Wenn ich in Meerkat investiert wäre, würde ich mir jedenfalls Sorgen machen.“ und auch Spiegel-Online findet, dass Periscope besser aussieht und mehr Funktionen anbietet.

Wer kann die Videos sehen und wie lange?

Bei beiden Diensten sind die Videos grundsätzlich öffentlich und im Browser sowie in der jeweiligen App abrufbar. Auf Wunsch wird man per Push-Nachricht informiert, wenn die eigenen Freunde auf Sendung gehen. Periscope erlaubt eine Beschränkung der Zuschauer auf bestimmte Twitter-User.

Periscope Logo (Foto: Periscope.com)

Periscope Logo (Foto: Periscope.com)

Bei der Speicherzeit der Videos unterscheiden sich Meerkat und Periscope: Ein Meerkat-Video (Meerkat =  Erdmännchen) ist nur live zu sehen. Binnen Minuten nach der Ausstrahlung  wird das Video von den Servern gelöscht und ist dann nur noch auf dem iPhone des Senders verfügbar. Das ist im Alltag ärgerlich, wenn man Minuten oder gar Stunden später die Ankündigung auf Twitter liest und dann nichts mehr sehen kann. Der Dienst Katch  wollte das ändern und lud ein Video nach der Übertragung automatisch zu Youtube hoch und twitterte den passenden Link. Der Dienst ist inzwischen aber nicht mehr erreichbar.

Periscope speichert ein Video immerhin 24 Stunden, was auf der einen Seite ein zeitverzögertes Gucken erlaubt und auf der anderen Seite trotzdem sicherstellt, dass das ein oder andere Spaßvideo nicht ewig im Netz abrufbar bleibt.

In beiden Fällen besteht die Möglichkeit, ein Video auf dem Telefon zu speichern und dann zu Youtube oder einem anderen Video-Dienst hochzuladen.

Was kostet der Spaß?

Stand heute wenig: Beide Apps gibt es inzwischen für iOS und Android und sie sind ebenso wie ihre Nutzung kostenfrei.

Kosten entstehen beim Mobilfunkanbieter: Spiegel-online hat in einem Vergleichstest beider Dienste herausgefunden, dass pro Minute rund 4 MByte Datentraffic entstehen. Wenn möglich, sollte man also auf eine WLAN-Verbindung zurückgreifen oder zumindest ein ordentliches Traffic-Volumen im Vertrag stehen haben.

Um vor der Aufnahme ungefähr zu wissen, wie gut die eigene Mobilfunk- oder WLAN-Verbindung ist, lohnt sich ein Geschwindigkeitstest mit der App Speedtest, die es kostenfrei für iOS-Geräte im Appstore gibt. Neben dem iPhone empfiehlt sich ein externer Akku, denn Video-Streaming und hoher Datentraffic saugen den Akku leer. Hier verweise ich auf meine Kaufberatung zum Thema externe Smartphone-Akkus.

Wie geht’s weiter?

Meerkat war der Hit auf der Digital-Konferenz South by South West in Austin Texas. Von Deutschland aus betrachtet hatte man den Eindruck, dass fast jeder Besucher mindestens einmal die App ausprobiert hat. Meerkat hatte die Gunst der Stunde erkannt und sein Angebot für die Messe ausgebaut, wie CEO Ben Rubin in einem Interview mit kress.de verriet. Eine Frage in dem Interview erwies sich als Goldrichtig: Rubin wurde gefragt, ob es nicht gefährlich sei, so abhängig zu sein von Twitter. „Natürlich gehört uns Twitter nicht. Aber ich glaube, dass es ein tolles Unternehmen ist. Ich habe keine Angst, dass man uns Steine in den Weg legt – solange wir das Geschäftsmodell von Twitter nicht bedrohen.“

Doch genau dieser Fall trat ein, so dass am zweiten Tag der South by South West Interactive (13 . bis 17. März) Twitter Meerkats-Zugriff auf die Twitter-Daten einschränkte. Seither kann man bei der Einrichtung der App nicht einfach seine Twitter-Follower importieren und sie zu Followern in der neuen Meerkat-App machen. Das ist aber Grundvoraussetzung, um für seine Sendung möglichst viele Zuschauer gewinnen zu können: Nur durch den Zugriff auf die eigenen Twitter-Follower konnte Meerkat eine Push-Nachricht anzeigen, sobald einer der eigenen Twitter-Freunde auf Sendung ging. Nur wenige Stunden vor dieser Zugriffsbeschränkung hatte Twitter bekannt gegeben, einen Meerkat-Konkurrenten übernommen zu haben und selbst an einer Video-Streaming-Lösung zu arbeiten.

Twitter begründet den Schritt damit, dass die API-Nutzungsregeln es verbieten, eine der Kern-Twitter-Funktionen nachzubauen. Aber wie hätte Meerkat wissen sollen, dass Twitter an einem ähnlichen Dienst arbeitete?

Wer wird gewinnen? Meerkat, weil sie als erste auf dem Markt waren und deshalb schon Nutzer haben oder Periscope, die etwas länger gebraucht haben, dafür aber die bessere App haben und die geballte Power von Twitter?

Ist das jetzt Journalismus?

Kaum ist eine neue Technik auf den Markt, beginnt die übliche Diskussion: Wenn jeder von praktisch jedem Ort der Welt live senden kann – ist das seriöser Journalismus? Interessant finde ich die sehr unterschiedliche Einschätzung eines Ereignisses, das vergangenen Donnerstag in New York stattfand. Dort kam es zu einer Gasexplosion, die einen Brand und den Einsturz eines Hauses zur Folge hatte. Binnen Minuten waren die ersten Live-Streams bei Meerkat und Periscope zu finden.

Richard Gutjahr (Foto: Mathias Vietmeier)

Richard Gutjahr (Foto: Mathias Vietmeier)

Richard Gutjahr – ein deutscher TV-Journalist und Blogger – lobt die Live-Stream-Berichterstattung in seiner Analyse: „Anders als beim traditionellen Fernsehen, bei dem der Reporter oft verspätet am Ort des Geschehens eintrifft und ohne eigene Recherche sofort auf Sendung muss, wirken die Handy-Livestreams erfrischend sachlich und unaufgeregt.“ und wünscht sich: „Statt neue Apps wie Meerkat oder Periscope zu verteufeln, sollten wir Journalisten uns lieber die Mühe machen und untersuchen, was wir aus einer Case-Study wie der Gasexplosion von New York lernen können.

Zu einem ganz anderen Urteil kommt Jacob Brogan, der auf Slate.com die Live-Streams aus New York kritisch beurteilt: Zunächst sei es ihm schwer gefallen, einen guten Stream zu dem Ereignis zu finden. Die Live-Streams hätten ihm zwar das Gefühl gegeben, live dabei zu sein – aber die meisten Informationen hätte er nicht im Bild sondern in den Kommentaren der User gefunden. Sein Fazit: „For now, Meerkat and Periscope can show us what’s new, but that doesn’t mean that they show us the news.

Ein Satz von Tobias Gillen – der sich ebenfalls dem Thema gewidmet hat – bringt es auf den Punkt: „Es ist noch zu früh für eine Prognose, wie es mit Meerkat weitergeht.

Update (27. Mai 2015): Periscope hat heute eine Android-Version seiner App gelauncht. Mit der Android-Version der Meerkat kann man inzwischen nicht nur Videos gucken, sondern auch senden. Ich habe den Text entsprechend aktualisiert.

Update (20. August 2015): Der Dienst Katch, der Meerkat-Videos automatisch zu Youtube hochlud, ist seit Tagen nicht mehr erreichbar. Ich gehe davon aus, dass der Dienst eingestellt wurde. Ich habe die Text-Passage entsprechend aktualisiert.

Update (12. September 2015): Periscope filmt jetzt auch im Querformat.

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2 Responses to “Meerkat und Periscope: Die sechs wichtigsten Fragen und Antworten”

  1. Periscope im Recruiting - ein Praxistest zum Anschauen

    […] In den letzten Monaten hat jetzt ein neuer Dienst besondere Aufmerksamkeit erfahren, der den meisten (nicht so social-affinen) Menschen bislang eher unbekannt sein dürfte. Die Rede ist von Periscope. Periscope ist eine Video-Streaming Lösung von Twitter, mit der Sie plump gesagt etwas aufnehmen und live im Internet senden können. Einen von vielen Artikel mit genaueren Erklärungen finden Sie u.a. hier “Merkaat und Periscope – die sechs wichtigsten Fragen und Antworten“. […]

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