digitale Tools und Themen für Journalisten

Whatsapp als Nachrichten-Kanal für Redaktionen: Erfahrungen und User-Feedback

logo-color-verticalViele Redaktionen, aber auch einzelne Journalisten, bespielen heute wie selbstverständlich Twitter und Facebook. Tools wie Tweetdeck, Buffer oder Hootsuite machen das Finden und Posten von Inhalten sehr einfach. In 2015 werden wir erleben, dass sich Whatsapp zum dritten Kanal entwickelt, der von Redaktionen bestückt werden sollte. (Google Plus lasse ich außen vor, das Netzwerk hat bislang nicht den Durchbruch geschafft).

Whatsapp: Mehr als ein SMS-Ersatz

Whatsapp ist bislang auf mehr als 30 Millionen deutschen Handys (Zahlen von Januar 2014, Quelle: Handelsblatt.com) installiert und wird zum Austausch von Kurznachrichten genutzt. Schon länger soll WhatsApp um eine Telefonie-Funktion erweitert werden, doch die Einführung wurde auf 2015 verschoben. Aktuell ist WhatsApp – inzwischen eine Facebook-Tochter – für fast alle Smartphone-Plattformen verfügbar: iPhone, Android, Blackberry, Nokias S40, Nokia Symbian und Windows Phone. Was fehlt ist ein Desktop-Client.

Nachrichten können entweder zwischen einzelnen Nutzern oder mit Hilfe einer Chat-Gruppe mit bis zu 100 Nutzern ausgetauscht werden. Wenn ein Absender nicht möchte, dass die Empfänger sich gegenseitig sehen, kann er eine Broadcast-Liste anlegen und darin bis zu 256 User eintragen. Diese Funktionen machen sich Redaktionen von BBC bis Heilbronner Stimme zu Nutze.

Leider ist WhatsApp für Redaktionen umständlich zu bedienen: Während man Facebook und Twitter bequem am Büro-Rechner aufrufen kann, braucht man für WhatsApp zwingend ein Handy, auf dem die Nachrichten eingetippt werden müssen. Jeder neue Abonnent muss zudem von Hand in eine Broadcast-Liste aufgenommen werden, die maximal 256 User aufnehmen kann. Entsprechend muss man bei mehr Abonnenten mehrere Listen anlegen, pflegen und befeuern. Bei beiden Punkten kann AirDroid, ein Tool zum Fernsteuern des Android-Smartphones vom Windows- oder Mac-Rechner, helfen. Laut Computerbild.de gibt es Hinweise darauf, dass WhatsApp an einer Web-Version seines Tools arbeitet.

Der Aufwand lohnt sich: Erfahrungen mit Whatsapp

Vorreiter beim Einsatz von Whatsapp als Kanal für die Nachrichtenverbreitung waren die BBC und das Schweizer Fernsehen & Radio (SFR). Konrad Weber, Multimedia-Journalist in Zürich, berichtete im Interview mit Daniel Bouhs über die Erfahrungen in der Schweiz: Whatsapp-User wollen keine Eilmeldungen auf ihrem Gerät empfangen, sondern Informationen zu einem speziellen Ereignis. Bei den Schweizern war das der Volksabstimmungstag im September 2014. 1400 User haben sich für diese Nachrichtendienst angemeldet. Das Informationsbedürfnis der Nutzer sei groß gewesen, weshalb man Teaser und nicht nur Links verbreitet habe. Das war letztlich eine gute Entscheidung, denn Links wurden kaum geklickt.

Daniel Stahl (Foto: Andreas Veigel)

Daniel Stahl (Foto: Andreas Veigel)

Ähnliche Erfahrungen hat man bei der Heilbronner Stimme gemacht: Am 4. Dezember 2014 – dem 70. Jahrestag der ersten Bombenangriffe auf die Stadt im Zweiten Weltkrieges – tickerte die Redaktion die dramatischen Ereignisse per WhatsApp. Twitter sei in der Region kaum verbreitet, während WhatsApp im Alltag der Menschen präsent sei. Fast 2500 Menschen lasen die Ticker-Nachrichten in dieser Nacht, wie Daniel Stahl und Vanessa Wormer in ihrem Blog berichten.

In Bamberg hat man sich dem Thema Whatsapp sogar wissenschaftlich genährt. Online-Volontärin Lena Alt schrieb ihre Bachelor-Arbeit über das Thema. Über die Website inFranken.de und via Facebook wurden 449 Testpersonen angesprochen, die dann zwei bis vier Nachrichten pro Tag bekamen. Der Erfolg war auch in Bamberg überwältigend, so dass der Whatsapp-Nachrichtenkanal am 1. Dezember in den Regelbetrieb überging. „Begeistert waren wir darüber, dass die überwiegende Mehrheit nicht nur den Teaser gelesen, sondern schließlich auch viele der verlinkten Artikel geöffnet hat“, sagt Alt im Gespräch mit kress.de. Mehr als 2000 User haben sich inzwischen für den Dienst registriert.

Was sagen die User?

Vanessa Wormer (Foto: Simon&Paul)

Vanessa Wormer (Foto: Simon&Paul)

Das Feedback der User ist überwiegend positiv und die Reaktionen überaus wohlwollend. „Der Ton der Rückmeldungen war aber immer höflich, konstruktiv, freundlich – völlig anders, als wir das zum Beispiel von Facebook kennen“, schreibt Vanessa Wormer. Von den mehr als 2500 WhatsApp-Empfängern in Heilbronn haben gut 600 einen Feedback-Fragebogen ausgefüllt. Ergebnis: 91 Prozent der User würden gerne öfter Nachrichten über WhatsApp erhalten.

Ähnlich waren die Reaktionen in der Schweiz: „Von 1.400 Abonnenten machten 41 Prozent bei einer Umfrage mit. Davon sagten 69 Prozent, sie hätten den Dienst nützlich oder sogar sehr nützlich gefunden. Was mich aber noch fast mehr erstaunte, war die Tatsache, dass sich 79 Prozent der User einen solchen Dienst für den Alltag – Breaking News usw. – wünschten“, sagt Konrad Weber im Interview mit Daniel Bouhs.

Fazit

Die Erfahrungen mit WhatsApp sind durchweg positiv und bislang ist nur der hohe Aufwand eine Hürde, die man nehmen muss. In 2015 werden weitere Redaktionen auf den Zug aufspringen und vielleicht macht es WhatsApp den Journalisten dann auch einfacher, ihren Dienst zu bespielen.

Und, wie ist das bei Ihnen? Denken Sie in der Redaktion über den Einsatz von WhatsApp nach oder haben Sie schon erste Erfahrungen gesammelt?  Dann schreiben Sie bitte einen Kommentar zu diesem Beitrag.

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Update (29. Dezember 2014): Laut Computerbild.de gibt es Hinweise auf eine WhatsApp-Web-Version. Diese könnte die Nutzung in einer Redaktion deutlich vereinfachen. Ich habe den Hinweis im Beitrag eingebaut. Vielen Dank an Nicole Schiffer für den Hinweis.

4 Responses to “Whatsapp als Nachrichten-Kanal für Redaktionen: Erfahrungen und User-Feedback”

  1. Rhymoore

    WA ist zwar schnell und direkt, aber so unübersichtlich… bereits bei einer 3 Mann Gruppe scrollt man mehr als man schreiben kann… (es sei denn, man hat es immer offen und liest alles penibel mit)

    Antworten
  2. Benedikt Bentler

    Ein interessantes Thema, wobei ich am Erfolg dieses „Vertriebswegs“ zweifle. Warum ist Whatsapp denn so erfolgreich? Weil man direkt kommunizieren kann – und auch nur kommunizieren kann. Es ist schlicht und ergreifend weniger nervig, als zum Beispiel Facebook, es bietet mit dem Versenden von Medien nützliche Mehrfunktionen gegenüber der SMS. Im Kern ist es aber reduziert. Je mehr sich Whatsapp zum „nervigen“ Medium entwickelt (nervig ist weniger wertend gemeint und schließt nützlich auch nicht aus) desto schneller werden die Menschen ein anderes Tool für die direkte Kommunikation nutzen.

    Und ganz persönlich: Ich habe mich jüngst vollständig abgemeldet bei Whatsapp, weil einfach zu viel überflüssige Kommunikation stattgefunden hat. Insbesondere in Gruppen gibt es Unterhaltungen, an denen man nicht zwingend beteiligt sein muss. Trotzdem vibriert das Handy ständig und man ist versucht durch lange Konversationen zu scrollen, aus Angst was verpasst zu haben. Der Rückschritt zur SMS war nach meiner persönlichen Erfahrung ziemlich erfolgreich. Es kommen weniger überflüssige Nachrichten. Ich verbringe weniger Zeit am Handy – bin letztendlich aber genauso gut erreichbar. Und vor allem stehe ich weniger unter Druck immer sofort antworten zu müssen, denn eine Lesebestätigung gibt es zum Glück nicht.

    Beste Grüße

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  3. Andreas

    Wer eine automatisierte komfortable Lösung sucht, kann sich gerne unsere Lösung einmal ansehen ( https://www.whatsbroadcast.com/de/ ). Generell kann ich sagen, dass einige Kunden Klickraten bei mitgesendeten Links von regelmäßig über 50% einfahren. (Noch) ist WhatsApp ein sensationelles Medium, ist die Frage wie lange das so bleibt.

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